Ausgangssituation
Jüngste Untersuchungen weisen auf den weltweiten Rückgang von Insekten hin, wobei Bestäuber und insbesondere Wildbienen sogar einen schnelleren Rückgang verzeichnen als andere Insektengruppen.
In Österreich sind aktuell 707 Wildbienenarten bekannt. Wildbienen sind aufgrund von Lebensraumveränderungen massiv bedroht. Lebensraumverluste, der Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln, der Rückgang artenreicher Wiesen und Wetterextreme durch die Klimaveränderung setzen den Wildbienen zu. Mittlerweile gelten rund 50 % aller heimischen Wildbienenarten als gefährdet.
Abbildung 1. Die Schwarze Mörtelbiene (Megachile parietina) am Nest. © Christoph Moning
Wildbienen sind sehr effektive Bestäuber. So benötigt man z. B. für die Bestäubung eines Hektars Obstbäume, 2 ½ Honigbienenvölker oder ca. 530 nistende Gehörnte Mauerbienen (Osmia cornuta) – ein häufiger Gast in den üblichen Bienennisthilfen. Honigbienenvölker bestehen durchschnittlich aus ca. 8.000 bis 40.000 Arbeiterinnen – damit wird im Vergleich ein Vielfaches an Honigbienen für die gleiche Bestäubungsleistung benötigt.
Die Schwarze Mörtelbiene (Megachile parietina) ist die größte und auffälligste Mörtelbiene in Österreich (Abbildung 1) und eine steiermarkweit geschützte Art. Sie ist zwar aus fast allen Bundesländern bekannt (Abbildung 2), kommt jedoch aufgrund der hohen Lebensraumansprüche nur an wenigen Sonderstandorten vor.
Abbildung 2. Verbreitung der Schwarzen Mörtelbiene (Megachile parietina) in Österreich. © Wido Gunczy
Die Art ist durch ihre bedeutende Größe sehr auffällig. Während die Weibchen durch ihre schwarze Färbung und dunklen Flügel fast unverkennbar sind und nur unter Umständen mit Holzbienen verwechselt werden können, von denen sie sich aber durch ihre orange Bauchbürste unterscheiden, sind die Männchen völlig anders gefärbt. Bei ihnen sind der Rückenpelz und die ersten 3 Segmente des Hinterleibes lang rostbraun behaart. Die Männchen sind nur für kurze Zeit nach dem Schlupf im April zu beobachten, während die Weibchen bis Anfang Juli beim Pollen- und Nektarsammeln angetroffen werden können.
Die Schwarze Mörtelbiene benötigt sonnige, felsige Strukturen, in Kombination mit ausreichend, geeignetem Blütenangebot. Die Art gilt als polylektisch (gesammelt werden Pollen verschiedener Pflanzenarten für das Larvenfutter), bevorzugt jedoch Lippenblütengewächse und Schmetterlingsblütler. Die Nester (Abbildung 3) werden von den Weibchen aus kleinen Steinchen, Erde und Sand, vermischt mit dem Speichel der Biene, an Felsen gebaut. In besiedelten Gebieten nistet sie auch an künstlichen Strukturen wie Hauswänden, Trockenmauern, Uferbefestigungen, Brückenaufbauten und sonstige vom Menschen geschaffene Strukturen (Westrich 2008).
Abbildung 3. Typisches Nest der Schwarzen Mörtelbiene aus kleinen Steinchen, Erde und Sand an einen Felsen gebaut. © Christoph Moning
Die Population der Schwarzen Mörtelbiene ist in vielen Regionen Mitteleuropas im Rückgang (Westrich 1990, Hausl-Hofstätter 2007). Das Vorkommen der Schwarzen Mörtelbiene im Hauenstein, einem ehemaligen Steinbruch nahe Graz, war das letzte bekannte Vorkommen in der Steiermark. Zuletzt wurde die Art 2006 beobachtet. Da das Aussehen sehr auffällig ist und in den letzten 18 Jahren kein Tier mehr gesichtet wurde, muss davon ausgegangen werden, dass das Vorkommen im Hauenstein erloschen ist.
Projektziele
Das Projekt verfolgt das Ziel, die gefährdete Schwarze Mörtelbiene an geeigneten Standorten in der Steiermark wieder anzusiedeln und die Lebensräume hinsichtlich der Lebensraumansprüche zu fördern. Ein Beispiel für einen erfolgreichen Wiederansiedlungsversuch der Schwarzen Mörtelbiene gibt es aus Baden-Württemberg, Deutschland (Westrich 2008).
Das Projekt zielt auf Optimierungen und lebensraumverbessernde Maßnahmen an potenziellen Wiederansiedlungslebensräumen ab, die vom Naturschutzbund Steiermark (ÖNB Stmk.), der Natur.Werk.Stadt (Partner des ÖNB Stmk.) und der Stadt Graz – Abteilung für Grünraum und Gewässer betreut werden. Die Maßnahmen umfassen die Pflege der Sonderstrukturen, die Neophytenbekämpfung, den Ausbau potentieller Trittsteinflächen und die Ansalbung von regionalen Wildblumen.
In einem weiteren Schritt erfolgt die Suche und Auswahl von nächstgelegenen, geeigneten Spenderpopulationen für eine Wiederansiedlung und Umsetzung der Wiederansiedlung an bis zu 3 geeigneten Standorten im Grazer Stadtgebiet (Hauenstein, Spielbergweg bzw. Karolinenweg). Nach jetzigem Wissensstand werden die Spenderpopulationen in Niederösterreich u./o. Burgenland zu finden sein.
Begleitet wird das Projekt von Bewusstseinsbildung und Öffentlichkeitsarbeit.
Im zweiten Projektjahr erfolgt eine Nachsuche an den Wiederansiedlungsstandorten. Dies soll als Erfolgskontrolle dienen und bei der Evaluierung des Projektes helfen.
Zur Evaluation des Projekterfolges soll, z. B. über die Presse, ebenfalls ein Aufruf zur Meldung bei Sichtung der Mörtelbiene erfolgen. Als Citizen Science Projekt kann dadurch eine größere Fläche in kurzer Zeit kontrolliert werden.
Indikatoren zur Erfolgsüberprüfung
Können im Folgejahr der Wiederansiedelung zumindest 2 erfolgreich nistende Weibchen oder 2 - 3 pollensammelnde Weibchen zzgl. eines Männchens nachgewiesen werden, kann die Wiederansiedelung als gelungen angesehen werden. Zudem soll ein langjähriges Futterpflanzen-Angebot auf 50 – 100 m² in unmittelbarer Nähe zum Niststandort entstanden sein.
Abbildung 4. Lage der 3 Projektgebiete für die Wiederansiedlung von M. parietina, weitere potentielle Wiederansiedlungsareale, bestehende und potentielle Trittsteinflächen in Graz.
Methode zur Wiederansiedlung der Schwarzen Mörtelbiene
Die Wiederansiedlung erfolgt indem aus stabilen, individuenreichen Vorkommen gemörtelte Nester entnommen und in die neuen Lebensräume umgesiedelt werden (vgl. Westrich 2008). Sofern die Nachsuche in der Steiermark keine positiven Nachweise bringt, werden potentielle Spendervorkommen in Niederösterreich und im Burgenland gesucht. In beiden Bundesländern gibt es noch individuenreiche Vorkommen.
Die Nester werden häufig in eckigen Vertiefungen von Felsen und Steinen oder auf deren Oberflächen angelegt. Unter günstigen Umständen sind kleinere Ansammlungen von 10 - 30 Nestern zu finden. Ein Nest besteht aus bis zu 16 Brutzellen (Westrich 2018). Ein geeigneter Zeitpunkt zur Entnahme ist der Zeitraum Herbst bis zeitiges Frühjahr. Die Art überwintert in der Regel als Imago und verlässt die Brutzelle im Mai (Westrich 2018). In Summe sollten ca. 30 Brutzellen pro Standort ausgebracht werden, um eine notwendige genetische Diversität einbringen zu können.
Die getöpferten Nester werden vorsichtig vom bzw. mit dem Untergrund gelöst, auf Unversehrtheit kontrolliert und in eine mit dem Entnahmestandort beschriftete, gepolsterte Box gelegt. Beschädigte Brutzellen werden mit Bienenwachs verschlossen. Die Nester zeigen eine erstaunliche Festigkeit und zur Ablösung bedarf es stabiler Werkzeuge (Westrich 2018). Die gesammelten Nester werden in einer Thermobox auf direktem Weg nach Graz transportiert und in den vorgesehenen Wiederansiedlungsorten ausgebracht. Dazu werden die Nester, um sie vor Vögeln zu sichern, in kleine Drahtkäfige, an vor der Witterung geschützten, aber gut besonnten Stellen ausgebracht. Die Drahtkäfige werden am Substrat verankert, damit sie nicht von Tieren vertragen werden können. Die geschlüpften Individuen können den Käfig aufgrund der ausreichend großen Maschenweite nach dem Schlupf selbständig verlassen.
Bei der Wiederansiedlung der Schwarzen Mörtelbiene ist besonderes Augenmerk auf das Vorhandensein wichtigster Pollenquellen zu legen. Zwar ist die Art polylektisch, bevorzugt aber Fabaceae (Schmetterlingsblütler) und Lamiaceae (Lippenblütler) als Pollenquellen (Pachinger et al. 2022). Große Bedeutung hat die Saat-Esparsette (Onobrychis viciifolia). Durch Pollenanalysen sind verschiedene Pollenquellen belegt (Tabelle 1; vgl. Westrich 2018).
Esparsette (Onobrychis sp.) und Hornklee (Lotus sp.) sind auch für viele andere Bienenarten günstig. Weiter sollte im Zuge der Anlage von wildbienenfreundlichen Wiesen nicht auf Kreuzblütengewächse (Brassicaceae) und Glockenblumenarten (Campanulaceae) vergessen werden. Glockenblumenarten sind essentiell für mehrere oligolektische (gesammelt werden ausschließlich Pollen einer Pflanzenart für das Larvenfutter) Bienenarten. Am Fuß der Felswände kann zudem verstärkt Gewöhnlicher Natternkopf (Echium vulgare) und Wegwarte (Cichorium intybus) angesalbt werden. Beide Pflanzen sind bei Hummeln bzw. anderen Wildbienen sehr beliebt. Zudem muss das Blütenangebot ausreichend groß sein. So benötigt M. parietina über 1.100 Einzelblüten von der Saat-Esparsette für die Verproviantierung einer Brutzelle (Westrich 2018). Um eine Population mit nur 10 Weibchen dauerhaft zu erhalten, sind über 1.000 blühende Pflanzen in der Umgebung der Nester nötig. Die Weibchen sammeln bis zu 300 m weit entfernt vom Nest (Bergmann & Ulrich 2011; Ulrich 2012).
Die Anlage von Blühflächen in den Steinbrüchen erfolgt besonders auf Flächen, die bisher von den neophytischen Goldruten (Solidago canadensis und S. gigantea) dominiert werden. Diese Flächen werden mit einer Bodenfräse bearbeitet, das Wurzelmaterial der Goldruten wird möglichst sauber herausgearbeitet und anschließend mit einem geeigneten Saatgut neu eingesät. Diese Methode wurde bereits innerhalb eines Interreg-Projektes, welches sich mit neophytenbelastetem extensiven Grünland beschäftigte, erfolgreich getestet (Weihmann 2022).
Tabelle 1. Durch Pollenanalyse belegte Pollenquellen für M. parietina.
Deutscher Name |
Wissenschaftlicher Name |
Gewöhnlicher Natternkopf |
Echium vulgare |
Hufeisenklee |
Hippocrepis comosa |
Gewöhnlicher Hornklee |
Lotus corniculatus |
Saat-Esparsette |
Onobrychis viciifolia |
Esparsette |
Onobrychis sp. |
Zaun-Wicke |
Vicia sepium |
Roter Wiesenklee |
Trifolium pratense |
Luzerne |
Medicago sativa |
Wiesen-Salbei |
Salvia pratensis |
Kriechender Günsel |
Ajuga reptans |
Zudem müssen geeignete Materialentnahmestellen (trockener Gesteinsgrus oder Sand) in der Nähe des Nistplatzes liegen. Dies ist in den Steinbrüchen gegeben. Auf Trittsteinbiotopen wird die Anlage besonnter Steinhaufen oder einer Trockensteinmauer empfohlen, an der die Wildbienenart gerne ihre Nester anheftet. Eine Einsaat der Pollenpflanzen wird parallel zur Anlage des Nistplatzangebotes empfohlen (Pachinger et al. 2022).
Projektpartner
Als Projektpartner sind im Projekt der Naturschutzbund Steiermark, die Stadt Graz – Abteilung für Grünraum und Gewässer, das Ökoteam und die Natur.Werk.Stadt beteiligt.
Dieses Projekt wird durch den Biodiversitätsfonds des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie gefördert.
Kontakt: frank.weihmann@naturschutzbundsteiermark.at
September 2024