Das Köcherfliegen-Monitoring des Naturschutzbundes Steiermark

2024 wird überwiegend auf Flächen des Naturschutzbundes Steiermark, die wenig bekannte und doch äußerst bedeutsame Insektengruppe der Köcherfliegen untersucht. Dabei werden wir uns u. a. auf die Suche nach verschollenen Arten machen, die zuletzt während eines Monitorings vor über 50 Jahren gefunden wurden. Das Projekt wird damit einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der nationalen Biodiversitätsstrategie leisten.

2 Larven der Art Goera pilosa. An das Gehäuse „Köcher“ sind Steinchen angesponnen

Anfang November 2023 erhielten wir vom Bundesministerium für Klimaschutz die erfreuliche Nachricht, dass unser eingereichtes Projekt mit dem Titel „Wiederaufnahme eines Köcherfliegen-Monitorings nach 50 Jahren – Aquatische Biodiversität, quo vadis?“ eine Förderung über den Biodiversitätsfonds erhalten wird. Dies ist v. a. deshalb bemerkenswert, da es in Österreich noch nie ein landes- oder bundesweites Projekt zur faunistischen Erfassung von Köcherfliegen gegeben hat.

Die Köcherfliegen gehören zwar unter den Wasserinsekten nicht zuletzt aufgrund ihrer Erscheinung im Larvenstadium zu den auffälligsten Insektengruppen, stehen aber meist im Schatten populärer, aber relativ artenarmer Gruppen wie der Flusskrebse oder Fische. Dabei ermöglichen Köcherfliegen aufgrund ihrer höheren Artenzahl (313 in Österreich) und der oft engen Bindung an spezielle Gewässer-Bedingungen zumeist detailliertere Aussagen über ihre Lebensräume. Ihren Namen hat die Gruppe von den im Larvenstadium selbst gebauten transportablen Wohnröhren, die die meisten Arten am Hinterleib tragen. Die geflügelten erwachsenen Tiere ähneln oftmals Motten. Die Länge der kleinsten Arten beträgt 3 mm, die der größten 30 mm! Auffällig sind die bei den meisten Arten bogenförmig nach vorne gerichteten Fühler, die bis zu dreimal körperlang sein können.

Fünf unterschiedliche Köcherfliegen-Arten (Mystacides azurea, Philopotamus ludificatus, Micropterna lateralis, Leptocerus interruptus, Oligostomis reticulata)

Seit knapp 30 Jahren gibt es in Österreich Gefährdungseinstufungen für Köcherfliegen in Form von Roten Listen. Für die Steiermark wurde 2021 zum ersten Mal eine entsprechende Rote Liste erstellt, wobei unser Mitarbeiter Oliver Zweidick mit Wolfram Graf von der Universität für Bodenkultur (Wien) die Liste im Auftrag des Landes Steiermark (Referat Naturschutz) erstellt hat (Graf & Zweidick 2021).

Unter der Leitung von Oliver Zweidick wird das hier vorgestellte Projekt nun der faunistischen Erfassung der Köcherfliegen in der Steiermark einen wesentlichen Schub verleihen und damit einen wichtigen Datenbeitrag für die zukünftige Erstellung bzw. Aktualisierung von Roten Listen der gefährdeten Köcherfliegen leisten.

Das Projekt

Die Idee, ein Köcherfliegenmonitoring in der Steiermark durchzuführen, ging aus dem Umstand hervor, dass aus den 1960er und 1970er Jahren zahlreiche Vorkommen österreichweit einzigartiger, stark gefährdeter Arten vorliegen, von denen seit damals nur wenige oder gar keine Nachweise mehr vorliegen. Ob diese Arten tatsächlich verschwunden sind, oder ob ihr fehlender Nachweis in der geringen und oft unsystematischen Sammeltätigkeit der vergangenen Jahre begründet ist, soll das Projekt u. a. klären. In den 1960er und 1970er Jahren wurden adulte Köcherfliegen aus dem steirischen Alpenvorland als Beifänge von landwirtschaftlichen Lichtfallen zur Erhebung des Apfelwicklers auf das Naturkundemuseum in Graz gebracht und später durch den Experten Hans Malicky ausgewertet. Seit damals wurden keine derart umfangreichen Funddaten mehr generiert. Das soll sich mit dem neuen Projekt ändern! Die vier damals am intensivsten beprobten Standorte (Silberberg bei Leibnitz, Deutschlandsberg, Bad Gleichenberg und Hartberg) sollen nun - über 50 Jahre danach - erneut mit derselben Fangmethode beprobt werden, wodurch sich eine überaus interessante Vergleichsmöglichkeit bietet, die Aussagen über Veränderungen und Trends in Köcherfliegenbeständen zulässt. Das hohe Indikatorpotential der Köcherfliegen erlaubt Rückschlüsse auf Veränderungen der gesamten aquatischen Biodiversität.

In Ergänzung zu den vier „historischen“ Standorten werden zwei weitere im Alpenvorland (in den Murauen bei Bad Radkersburg und an der Lafnitz bei Bad Blumau) und vier in unterschiedlichen alpinen Teilbereichen der Steiermark bei Trautenfels, Kraubath an der Mur, Hörfeldmoor und Mitterdorf an der Raab) beprobt. Sieben der insgesamt zehn Fallenstandorte befinden sich auf Grundstücken des Naturschutzbunds, wodurch eine wiederholte Beprobung an exakt denselben Stellen im Sinne eines (Langzeit-)Monitorings erleichtert wird.

Fünf der zehn Fallenstandorte: Rückhaltebecken in Bad Gleichenberg, Gelände der Fachschule für Land – und Forstwirtschaft am Silberberg bei Leibnitz, Mitterdorf an der Raab (die Raab ist von der Ufervegetation verdeckt), Kraubath an der Mur, Deutschlandsberg

Die Methode:

Zwischen Mai und Oktober 2024 werden vier Mal zu jeweils 3 Nächten (vier Stunden ab der Dämmerung) automatische Lichtfallen betrieben. Der Lichtfang ist die Standardmethode zum Nachweis von Köcherfliegen, zumal die meisten Köcherfliegenarten nachtaktiv sind und von Licht angezogen werden. Das verwendete Fallenmodell besteht aus einem Fangeimer, in den ein großer Trichter gesetzt ist, und einer länglichen Schwarzlichtlampe samt Elektronik. Um große Nachtfalter oder Käfer nicht zu fangen, ist um die Falle eine Haube aus Draht bestimmter Maschenweite befestigt.  Beim Betrieb der Falle in der Dunkelheit schwirren die Köcherfliegen um die Lampe bis sie an die Trichteroberfläche stoßen und in den Fangbehälter rutschen, aus dem sie nicht mehr entkommen. Die Artbestimmung der Tiere erfolgt unter einem Stereomikroskop im Labor, zumal die meisten Arten nicht ohne Untersuchung der Genitalstrukturen bestimmbar sind.

In der Abbildung rechts sieht man eine Lichtfalle samt Elektronik: Fangeimer mit Trichter und Schwarzlichtlampe, 12V-Akku mit Zeitschaltuhr, der schwarze Eimer wird als (Regen-)Schutz über die Elektronik gestellt.

Laufzeit: März 2024 – Oktober 2025
Projektleitung: Oliver Zweidick (Naturschutzbund Steiermark)

Alle Fotos: © Oliver Zweidick
Kontakt: Oliver Zweidick

Literatur:

Zweidick O. (2022): Rezente Köcherfliegenfunde (Trichoptera) aus dem Alpenvorland in der Steiermark und dem Burgenland mit Landesneufunden und dem Erstnachweis von Parasetodes respersella Rambur, 1842 in Österreich. Beiträge zur Entomofaunistik 23: 11-72.

Graf W., Zweidick O. (2021): Rote Liste der Köcherfliegen der Steiermark. In: (Hrsg. Ökoteam) Rote Listen der Tiere der Steiermark, Teile 1, 2A und 2B. Unveröff. Projektbericht i.A. der Österreichischen Naturschutzjugend für das Land Steiermark, Naturschutz.

Dieses Projekt wird durch den Biodiversitätsfonds des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie gefördert.

September 2024

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