Offener Brief an den Vorstand der Verbund AG

Sehr geehrter Herr. Mag. Dr. Michael Strugl MBA,
sehr geehrter Herr Mag. Dr. Achim Kaspar,   
sehr geehrter Herr Dr. Peter F. Kollmann,  
sehr geehrte Frau Dipl.-Ing. Dr. Susanna Zapreva,

mit diesem Schreiben möchte ich als Vertreterin des Naturschutzbundes Ihr Augenmerk auf eine drängende Angelegenheit richten, die nicht nur die Klimakrise betrifft, sondern auch erhebliche Auswirkungen auf die Biodiversitätskrise hat, insbesondere auf die tödliche Bedrohung eines der größten Fische Europas – den Huchen.

Es ist erfreulich zu sehen, dass wir alle die Bedeutung der Biodiversität betonen. Auch über das Erfordernis erneuerbarer Energien für unsere Zukunft sind wir uns einig. In diesem Kontext sind wir uns einig über die Notwendigkeit, die Effektivität des elektrischen Stromes zu verbessern, Verluste zu reduzieren sowie Einsparungen im Verbrauch zu realisieren. Allerdings herrscht Uneinigkeit bezüglich der angewandten Technologien, insbesondere im Zusammenhang mit dem derzeit vorangetriebenen Ausbau der Wasserkraft.

Die gängigen Technologien der Wasserkraft sind primäre Treiber der Biodiversitätsdegradation in unseren Gewässern, auch wenn Werbung der E-Wirtschaft dies anders vermitteln möchte. 80 % aller Fließstrecken sind durch Wasserkraftwerke denaturiert.

Von den 73 heimischen Fischarten stehen rund 60 % auf der Roten Liste bedrohter Arten – allen voran die wandernden und die großen Fische der Fließgewässer. Der Aal gilt als regional ausgestorben – dem Huchen verbleiben nur mehr einige wenige Lebensräume. Es ist Ihnen sicherlich bekannt, dass die Verbund AG mit ihren Ambitionen an der Mur plant, die letzten verbleibenden Lebensräume vom Aussterben bedrohter Fischarten, insbesondere des Huchens, zu zerstören. Aktuelle Studien belegen, dass dem Huchen europaweit das Aussterben droht, wenn seine Lebensräume, im Besonderen jene in der Mur, weiter defragmentiert und verändert werden. Die unüberwindbaren Querbauwerke, fehlendes Geschiebe, Verschlammung und Wassererwärmung bedrohen diesen Fisch, der ein kühles, rasch fließendes Gewässer mit dynamischem Kiesuntergrund benötigt. Bisherige Bemühungen in Form von Fischaufstiegshilfen sind zwar kostenintensiv, aber wenig erfolgreich; insbesondere für Tiere mit der beträchtlichen Größe und dem Gewicht des Huchens. (Adulte Tiere sind in Größe und Gewicht mit 10-jährigen Kindern zu vergleichen.) Weiters existieren keine funktionierenden Abstiegshilfen – Schwimmen durch die Turbinen bringt den sicheren Tod.

In den letzten Jahrhunderten wurde der Natur, insbesondere den Wasserlebensräumen, bereits viel abverlangt. So sind vom ehemaligen Lebensraum des Huchens in Europa nur mehr 0,7 %, davon der noch funktionsfähigste in der Mur, erhalten. Dieser Lebensraum ist nun durch Planungen neuer Kraftwerksstandorte der Verbund AG weiter bedroht.

Um das Aussterben des Huchens zu verhindern, hat sich eine Plattform aus Wissenschaft, Wirtschaft und NGOs gebildet. Eine Petition mit mehr als 5000 Unterschriften wurde bereits erstellt und es besteht enger Kontakt zu Politik und Verwaltung. Eine fachlich hinterlegte Beschwerde wurde auch an die EU-Kommission gerichtet, die dort auf hohes Interesse stieß.

Die Plattform ersucht nun die Verbund AG um eine klare Stellungnahme und Diskurs zu diesem Thema. Ich appelliere dringend an Sie, den Ausbau der Wasserkraft als Option für die Zukunft zu überdenken und alternative, biodiversitätsfreundlichere Lösungen zu forcieren.

Mit freundlichen Grüßen,

Romana Ull
Vizepräsidentin Naturschutzbund Österreich


Empfohlene Literatur: Stefan Schmutz, „Der Huchen stirbt aus - was tun?“ Zeitschrift des österreichischen Fischereiverbandes, Sonderausgabe 2023
PLATTFORM zur Rettung des Huchens – Allianz aus Natur- und Umweltschutz, Fischerei und Wirtschaft


Datum 31.1.2024

    

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