Zum Welttag des Naturschutzes: ReNATURierung jetzt!

Sonntag: 28. Juli 2024 - Zum Welttag des Naturschutzes: ReNATURierung jetzt!

Von Johannes Gepp

Präsident Naturschutzbund Steiermark

Die viel diskutierte Renaturierung ist nicht nur ein diktiertes Wunschziel der EU oder ein ideologisches der Grünen, sondern mehr noch eine Voraussetzung zur Erhaltung der überlebensnotwendigen Naturressourcen. Diese gibt es zukünftig offensichtlich nicht mehr zum Nulltarif, eher als Leistung der Natur, die gewürdigt werden muss. Ja, wir verdanken es jedem einzelnen Bauern, uns gesund zu ernähren. Die Gemeinschaft muss daher die Landwirtschaft insbesondere auch die kleinbäuerlichen Strukturen im Paradigmenwechsel schützen. Aber im Zeitalter des Klimawandels und des Artensterbens ist der besonders betroffene Bauernstand nebst den Waldbesitzern als größte Flächeninhaber durch Verständnis und Förderung zu motivieren, die notwendigen Anpassungen anzunehmen.

Unübersehbare Kipppunkte

Am Montag gab es weltweit den heißesten Tag der Messgeschichte! Wahrscheinlich ist heute der Tag, an dem die summierte Anzahl ausgestorbener Tier- und Pflanzenarten höher ist als an jedem Tag der letzten 10 000 Jahren zuvor! Unbeeindruckt von allen Beteuerungen, Verständnis für die Natur zu haben, verbetonieren wir täglich unersetzbare Naturflächen mit der Begründung der unantastbaren Handlungsfreiheit jedes Bürgermeisters. Man kann das als grenzenloses Wachstum beschönigen oder pessimistisch als weitere Schritte zum kollektiven Selbstmord der Menschheit bejammern. Der ökologische Supergau wird hoffentlich nicht morgen eintreten, er hat seine Vorlaufzeit. Aber wenn Ökosysteme kippen, dann erwartet uns das Vielfache an dann unvermeidlichen Katastrophen.

Was sollte man Renaturieren?

Ein hämisches "Zurück auf die Bäume" wird unwahrscheinlicher, je mehr Waldbrände diese vernichten. Daher überlegen wir einmal idiologisch unaufgebracht, was wir unter ökologische Ressourcen verstehen. Das wären stabile und erosionsmindernde Waldökosysteme, fruchtbare und CO2 speichernde Böden, sich selbstregulierende Artengemeinschaften, Bestäubergesellschaften, Wasseraufnahmefähigkeit bei Extremniederschlägen, Wasserdargebot in Trockenzeiten, lebenswerte Siedlungsräume, Erholungsfunktionen von Naturräumen etc. Renaturieren bedeutet, diese Systeme, Räume und Funktionen vorausschauend und nachhaltig zu sichern. Seit Jahrzehnten übertreiben wir grenzenlose Entnaturierung, Renaturierung wird daher mindestens ebenso lange andauern.

Europaschutzgebiet Höll © Johannes Gepp

Mischwälder statt Fichtenforste

Vor 50 Jahren wurde die Warnung vor standortwidrigen Fichtenforsten belächelt, ja als forstwirtschaftlicher Frevel eingestuft. Ungehört und weiter aufgeforstet muss man in Österreich wohl absehbar mit einer Milliarde sterbender Fichten rechnen. Für die Natur sind Monokulturen das angerichtete Festmahl für die kleinsten Massenvermehrer. Zwar verbeißt allzu viel gehegtes Wild allzu viele Jungbäume, aber mehr noch die kleinen Borkenkäfer und immer mehr eingeschleppte Pilze werden relativieren zunehmend den Traum eines erfolgreichen Umbaues immerwährend nutzbarer Forste. Der Wald der Zukunft ist gegenüber heute weniger Holzproduzent, sondern wird zunehmend für den klimarelevanten Erosionsschutz hilfreich sein.

1 m² genützt, 1 m² geschützt!

Wandle ich eine Wiese mit € 4 Quadratmeterpreis in Industrieland, dann kostet dort der Quadratmeter € 140 aufwärts. Und werden diese Flächen nutzend versiegelt, sollte jeder Nutzer dankbar eine Wiedergutmachung anderswo anstreben! Für jeden genutzten Quadratmeter als Ausgleich die gleiche Fläche Natur sichern helfen. Der Naturschutzbund sichert derzeit 800 Biodiversitätsflächen allein in der Steiermark; sein Ziel lautet 1000. Spender sind gesucht!

Moore als Feuchtigkeitsspeicher

Dass Moore zu schützen sind, ist seit acht Jahren im Naturschutzgesetz des Landes Steiermark festgelegt. Dass weiterhin jährlich ca. ein Prozent der steirischen Moorflächen verloren geht, ist unverzeihlich! Moore sind die größten CO2 Speicher, nehmen Hochwasserspitzen auf, geben in Trockenzeiten langfristig Feuchtigkeit ab und sind unersetzbare Lebensräume seltener Arten.

Hartberger Gmoos © M. Hanschitz

Schauermärchen Enteignung

Der Österreichische Naturschutzbund hat in den letzten Jahren über 2000 Biodiversitätsflächen von Bauern gut bezahlt erworben. Niemand wurde enteignet, alle Flächen wurden von Bauern angeboten, da sie für intensive Nutzung nicht geeignet sind. Und auch derzeit sind allein in der Steiermark an die 50 Flächen zum Kauf angeboten, nur dafür reichen die Förder- und Spendenmittel derzeit nicht. Für besondere Naturschutzflächen, beispielsweise, wenn der Wachtelkönig dort brütet, wird oft ein Preiszuschlag gewährt. In erster Linie werden Feuchtwiesen, Trockenrasen, Auenwälder, Moore, Altholzbestände, Lahnen etc. gekauft und geschützt – Flächen, die weder der Ernährungssicherheit dienen, noch landwirtschaftlich nutzbar sind.

Auen als Hochwasserrückhalt

Die augenscheinliche und nun fast wöchentlich aktuelle Katastrophenursache ist der fehlende Raum für Fließgewässer und zu wenige Rückhalteflächen. Bis vor Jahrzehnten gab es in Tallagen flächige Hochwässer. Um sie abzuleiten, kanalisierte man die Fließgewässer, anfangs berechtigt, dann aber allmählich extrem naturfern. Die so beschleunigten Fließgewässer gruben sich ein, abertausende Brunnen versiegten, das Wasser wurde bis weit in die Nachbarländer hinein allzu rasch exportiert. Die Regulierungswut erreichte jedes Bächlein, jede Feuchtwiese wurde drainagiert, die Auwälder großteils gerodet. Nun wird es schmerzhaft sein, Auenböden wiederum als Retentionsbereiche zu renaturieren – aber zur Verhinderung von erwarteten Hochwasserschäden ungeahnten Ausmaßes brauchen unsere Gewässer mehr Raum!

Biotopverbund versus Monokulturen

Unsere Landschaften sind zerschnitten, von flächigen Monokulturen isoliert, das Netz an Autobahnen bis hin zu Forststraßen, das dichteste Europas. Wild, Kröten, Insekten bis hin zu Schnecken werden in immer kleinere Populationen geteilt und sterben vielerorts lokal aus. Die Kombination, unseren Fließgewässern wesentlich mehr Freiraum zu geben und die Ufer breiter zu begrünen, um sie als Biotopnetz zu gestalten, hätte Mehrfachwirkung: Hochwasserschutz und Biotopverbund!

Zeit die wir kaum haben

Die heutigen Naturparke und Nationalparke haben Jahrzehnte Vorlaufzeit benötigt. Allzu viele heutige Naturparkgemeinden waren jahrzehntelang gegen Naturparke. Admont hat sich gegen den Nationalpark Gesäuse ausgesprochen. Heute hingegen wollen immer mehr Regionen Naturparke werden. Leider gewährt uns Mutter Natur oder hart ausgedrückt, die Klima- und Biodiversitätskrise keine weiteren 50 Jahre Zeit zu überlegen. Daher der Wunsch des Naturschützers an die Bauernschaft, Renaturierung als Zukunftsaufgabe, als nützliches Eigeninteresse zu sehen. Denn wer, welche Interessensgruppe, ist mehr von aktuellen Umweltkrisen betroffen als die Land- und Forstwirte?

Kontakt: j.gepp@naturschutzinstitut.at

27. Juli 2924

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