Erlesenes zur Neophytentagung ( Jetzt mit allen Vorträgen als Pdf )

Copyright Ute Hammer

Invasive Neophyten sind gefährliche Schönheiten. Sie sehen zum Teil verführerisch schön aus, viele blühen in den schillerndsten Farben – und sie sind dennoch gefährlich für Natur und oft auch für Menschen.

Neophyten („neue Pflanzen“) sind Pflanzenarten, die nach der Entdeckung Amerikas 1492 beabsichtigt oder unbeabsichtigt nach Europa eingebracht wurden. Die meisten dieser Arten verschwinden schnell wieder oder fügen sich problemlos in unsere Pflanzenwelt ein. Einige setzen sich aber hartnäckig durch (sie werden invasiv) und müssen durch geeignete Maßnahmen möglichst frühzeitig reguliert werden.

Problematisch daran ist, dass dadurch die heimische Biodiversität gefährdet oder nachteilig beeinflusst werden kann. Darüber hinaus können sie wirtschaftliche Schäden verursachen und negative Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen und Tieren haben. Die Ambrosie belastet unsere Gesundheit durch hohes Allergiepotenzial und führt immer wieder, wie etwa im Kürbis, zu starken Ertragseinbußen. Riesen-Bärenklau kann schwere Verbrennungen auf der Haut verursachen, die Früchte der Kermesbeere sehen lecker aus, sind aber giftig. Riesenspringkraut und Staudenknöterich verdrängen großflächig den natürlichen Bewuchs an Fließgewässern sowie an Wald- und Wegrändern.

Aufgrund der genannten Herausforderungen hat die Europäische Union richtungsweisend eine Verordnung über die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten erlassen. Auf Basis dieser Verordnung hat der Steirische Landtag im Juni 2017 ein Gesetz beschlossen, das den Umgang mit Neophyten regeln soll.

Diesem hochaktuellen Thema widmete sich eine vom Naturschutzbund Steiermark im Rahmen des Interreg-Projekts BANAP organisierte Fachkonferenz, die am 30. Juni und 1. Juli in den Räumlichkeiten des Volksbildungswerkes stattfand. Spezialist*innen aus ganz unterschiedlichen Arbeitsbereichen (Behörde, Forst, Naturschutz, Straße, ÖBB und Wissenschaft) zeigten in ihren Beiträgen auf, wie brisant dieses Thema ist:

 

  • Dr.in Andrea Krapf vom Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Abt. 13, informierte über die rechtlichen Aspekte, den korrekten Umgang und die fachgerechte Entsorgung von invasiven Neophyten. Früherkennung und konsequentes Handeln sei der beste Schutz gegen invasive gebietsfremde Arten. Daher verpflichtet die EU (VO 1143/2014) die Mitgliedstaaten, ein System zur Überwachung dieser Arten zu errichten. Die Möglichkeit zur Meldung invasiver gebietsfremder Arten sei ein Teil dieses Überwachungssystems, in dem Bürger*innen das Vorkommen invasiver gebietsfremder Arten an die Behörde melden können. Informationen über die Arten der Unionsliste und weiterer invasiver Arten unter: https://www.neobiota.steiermark.at/cms/ziel/156566308/DE/

  • Dann wurde es kulinarisch – Mahlzeit! Michael Flechl berichtete über essbare Neophyten. Der Japanische Staudenknöterich etwa gilt in China und Japan als Medizinkraut und wird für heilende Tees genutzt. Ihre jungen Sprosse ähneln im Geschmack den Blattstielen von Rhabarber. Sie lassen sich zu schmackhaften Dips und spritzigen Konfitüren verarbeiten. Wenn sie noch sehr jung sind, können die Triebe roh verzehrt werden.

    Die gerösteten Samen des Drüsigen Springkrautes schätzt man in der Wildpflanzenkulinarik wegen ihres nussigen Aromas. Roh schwach giftig, dienen die (gekochten) Blüten wegen ihres süßlichen Aromas als Grundlage für Sirup, Gelee oder Likör. Junge Blätter können als Spinat zubereitet werden. Frische Blüten und Blätter der Kanadischen Goldrute liefern einen wohlschmeckenden Tee, junge, noch elastische Triebe und Blätter sind als Wildgemüse zum Dünsten oder Einlegen geeignet. Die Stängel sollten wegen ihrer bitteren Schale geschält werden.

    Viele Neophyten haben sogar eine heilende Wirkung. Das einjährige Berufskraut etwa: Die weiße Blume, die man in vielen Gärten und an Waldrändern sieht, hilft gegen Erkältung, Gicht und Ekzeme. Die Kanadische Goldrute wirkt bei Blasenschwäche, Nierensteinen oder Gicht. Informieren Sie sich, welche Neophyten essbar sind – damit diese im Salat landen statt im Abfallkübel.


  • Nach der Mittagspause referierte Ing. Wolfgang Lanner vom Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Abt. 16, über „Neophyten an Straßen: Artenspektrum, Herausforderungen und Managementmaßnahmen“. Für viele invasive Neophyten gebe es keine rechtliche Grundlage für Managementmaßnahmen. Managementmaßnahmen sind von zu vielen Faktoren wie z.B. Pflanzenart, Vegetationszustand, Vermehrungs- und Ausbreitungsstrategien, Entsorgung des Schnittgutes abhängig. Es könne daher kein Standard für Managementmaßnahmen formuliert werden. Möglich seien nur pflanzenspezifische und baulosbezogene Anweisungen, welche die Leistungspositionen zur Grünflächenpflege in entsprechenden Vorbemerkungen konkretisieren.


  • Mag. Bernard Wieser vom Blaurackenverein L.E.i.V. (Lebende Erde im Vulkanland) lieferte einen Einblick in die Neophytensituation in der Südoststeiermark. Er berichtete von großen Problemen mit dem Riesenbärenklau: Obwohl seit einigen Jahren alles unternommen wird, um diese Pflanze in den Griff zu bekommen, verbreitet sie sich über unsere Flüsse nach Osten. Kaum hat die Berg- und Naturwacht ein Nest bekämpft, ist schon das nächste da. Im hohen Bestand des Drüsigen Springkrautes, das inzwischen die Bachsäume bestimmt, seien die Grundblätter nicht mehr auszumachen. Zudem berichtete Mag. Wieser auch über erfolgreiche Projekte, z .B. bei der Bekämpfung der Kermesbeere in einem mehrere Hektar großen Wald.


  • Und schließlich beschloss Mag. Thomas Schuh, er ist Nachhaltigkeitskoordinator bei der ÖBB Infrastruktur AG, den ersten Tag der Fachtagung mit einem Referat über „Siderodromophile Neophyten! – Herausforderungen bei Bau und Betrieb der Bahn“. Das ca. 5000 Kilometer lange Streckennetz der ÖBB sei ein idealer Ausbreitungskorridor für Neophyten. Auf Bahnanlagen seien einige Arten zunehmend zum Problem geworden. Zum exotischen Terminus „Siderodromophil“ – aus dem Altgriechischen: sídēros: Eisen; drómos: Weg, phylos: geliebt, lieb, teuer, und wird von Vegetationskundler*innen für Pflanzen verwendet, die es lieben, auf und um Bahnstrecken zu blühen. In der Psychologie gibt es die Siderodromophobie, die Eisenbahnangst. Mag. Schuh stellte erfolgreich durchgeführte Projekte vor, z. B. berichtete er über ein Beweidungsprojekt gegen Goldrute, Staudenknöterich und Co. Der Götterbaum wird sehr erfolgreich mit Ailantex® bekämpft, der bei richtiger Anwendung nahezu 100%ig wirkt.


  • Den nächsten Tag eröffnete Laura Pühringer von der Energieagentur Weststeiermark, die das Interreg-Projekt BioDiTour vorstellte. Sie erzählte von zahlreichen Schulprojekten. Besonders beeindruckend: die Revitalisierung des Nymphenweihers in Bad Gams. Außerdem: Im „Haus der Energie“ in Deutschlandsberg wurde im Vorjahr die erste österreichische Informationsstelle zu invasiven Neophyten im Zuge des mit Slowenien grenzüberschreitenden Interreg-Projekts BioDiTour eröffnet.


  • Den Abschluss der Fachtagung bildete ein Referat von DI Alexander Mrkvicka vom Forst- und Landwirtschaftsbetrieb der Stadt Wien. Er schilderte Erfahrungen mit dem Management von Neophyten beim Forstbetrieb der Stadt Wien. In Wien gibt es 2400 Pflanzenarten, bereits an die 1000 davon sind invasive Neophyten. Für Probleme sorgen zwar nur „10 bis maximal 15 dieser Arten, die dafür massiv“. Vor allem im Nordosten und Südosten Wiens sind sie zum Teil schon stark ausgebreitet. Bereits erfolgreich vertrieben wurde aus dem Lainzer Tiergarten der Götterbaum. Hier hilft ein – heimischer – Pilz, wie die Universität für Bodenkultur in Wien bereits vor ein paar Jahren herausgefunden hatte: Dabei wird die Rinde des Baums mit einem Hohleisen angestochen, anschließend werden wenige Tropfen der Pilzsuspension in den Baum gegeben.

    Der Baum saugt das auf – und verwelkt nach meist einmaliger Behandlung über eine gewisse Zeit. Da die Götterbäume oft über die Wurzeln miteinander in Kontakt stehen, wird bei der Behandlung mit Ailantex® der Pilz in benachbarte Bäume weitertransportiert – diese sterben dann ebenfalls ab. Stockausschläge und Wurzelausläufer werden zuverlässig mitbekämpft. Einfaches Umschneiden der Bäume ohne weitere Behandlung würde im gesamten Wurzelbereich zu starkem Neuaustrieb führen.

    Wichtig bei der Bekämpfung von invasiven Arten ist es auch, über die eigenen Grundstücksgrenzen hinauszuschauen und sogenannte „Samenbäume“ bzw. Ursprungspflanzen, die häufig in Gärten zu finden sind, aufzuspüren und zu beseitigen. Ansonsten besteht eine permanente „Neuinfizierung“ der eigenen Flächen mit den ungewollten Neophyten.

 

„Im Management von invasiven Neophyten sind eine detaillierte Planung und eine Kosten-Nutzen-Rechnung für den Erfolg entscheidend. Das Management muss langfristig über viele Jahre ausgelegt sein, alles andere sind vergeudete Ressourcen“, betonte der Organisator der Tagung, der Biologe Dr. Frank Weihmann. Eine bundesländer- und grenzübergreifende Zusammenarbeit sei zu intensivieren.

In einem Gemeinschaftsprojekt mit der Stadtgemeinde Voitsberg und dem Land Steiermark (A13) hat die Natur.Werk.Stadt im Jahr 2020 eine Neophytenkartierung für den gesamten Bezirk vorgenommen – die Erhebung wurde mit der Weltenbummler-App durchgeführt – und dazu eine Dokumentation veröffentlicht (hier Link zum Bericht auf unserer Homepage).

Und weil es zu einer rundum gelungenen Veranstaltung dazugehört: Die Medienarbeit, die Organisationsassistenz und das Pausenbuffet mit gesunden Brötchen und köstlichem Kuchen wurden dank einer Kooperation der Projekte REACT-EU und Natur.Werk.Stadt möglich, die beide von der StAF – Steirische Arbeitsförderungsgesellschaft m.b.H. und dem Naturschutzbund umgesetzt werden. Die kulinarische Verpflegung fand regen und zufriedenen Zuspruch: Mitarbeiter*innen der Natur.Werk.Stadt hatten dazu einen großen Anteil geleistet. Außerdem gab es einige von der Natur.Werk.Stadt im Jahr 2021 aus Neophyten produzierte Sirupe, die großen Anklang fanden.

Die Projekte Natur.Werk.Stadt und REACT-EU werden vom AMS Steiermark dem Land Steiermark Soziales und Naturschutz sowie aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds als Teil der Reaktion der Union auf die COVID-19-Pandemie finanziert.

Besonders erfreulich :

Dem ORF war diese interessante Tagung einen großen Bericht wert – zu finden unter https://steiermark.orf.at/stories/3163598/

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